Abrechnungen im Viertel

In ihrem zweiten Roman beschreibt Négar Djavadi soziale Gegensätze im pulsierenden Paris. Nach dem Mord an einem Jugendlichen in einem Viertel, wo gestrandete, arme Menschen, zumeist Migrant:innen, leben, brodelt es. Ein zweiter Jugendlicher wird ermordet, offenbar ist es ein Revierkampf zweier Gangs aus dem Drogenmilieu. Als schließlich die Polizei auftaucht, eskaliert die Stimmung im Viertel, da eine Jugendliche das übergriffige Verhalten der Polizei beim Untersuchen der Leiche filmt und den zusammengeschnittenen Film ins Internet stellt. Die Wirkung auf die dort wohnhafte Bevölkerung ist so massiv, dass es Aufstände gibt, die die Polizei schwer unter Kontrolle bringen kann. Und dann ist da noch der selbstgefällige, erfolgreiche Serienfilmproduzent Benjamin Grossmann, der im selben Arrondissement groß geworden ist und nach einem Besuch bei seiner Mutter sein Handy verliert. Er verdächtigt genau den Jugendlichen, der später tot aufgefunden wird, und schlägt diesen zusammen. Djavadi schafft es, die aussichtslosen Lebensentwürfe und die Verzweiflung prekarisiert lebender Menschen sichtbar zu machen und unterstreicht mit erzählerischer Genauigkeit, wie schwer der Überlebenskampf für sozial Schwächere ist. Mit Benjamin dazu als Kunstgriff vermittelt sie einen Gegenpol, dass auch die Welt der Reichen gegen Einstürze nicht gewappnet ist. Es sind Stimmungen, die sie präzise widerspiegelt und am Ende sind es Zufälle, warum aus der ganzen angestauten Aggression Tragödien werden. Ein komplex angelegter Großstadtroman!

ML

Négar Djavadi: Die Arena. Aus dem Franz. von Michaela Meßner. 463 Seiten, C.H. Beck, München 2022 EUR 26,80