Endlich wieder normal


Was ein Flamingo mit Anorexie zu tun hat, bleibt unklar – die Erzählerin vergleicht sich in ihrem Normalzustand mit dem hübschen rosa Vogel, und im Zuge ihrer Magersucht sieht sie sich Federn verlieren und drastisch an Schönheit einbüßen. Im Büchlein finden sich immer wieder niedliche Flamingos als Markierungen, um Abschnitte zu unterteilen. Im Plauderton berichtet Julia Kohlhofer von ihrer Erkrankung, versucht hie und da die Gründe zu eruieren, kommt dann aber immer wieder darauf zurück, dass sie den eigentlichen Auslöser nicht finden kann. Mutmaßungen gibt es schon, Enttäuschung in Freundinnenschaften, das Gefühl, nicht ebenso begehrt zu sein wie sie. Sie schildert die fortschreitenden Probleme ihrer Krankheit, Magenschmerzen, Notinterventionen mit Magensonden, aber auch den starken Rückhalt durch Familie und ihren Freund. Sehr rigoros und pauschal verurteilt sie die Unterstützungsversuche seitens PsychologInnen und PsychotherapeutInnen, denen sie jede Wirkung abspricht, obwohl sie weiß und schreibt, dass jeder therapeutische Erfolg nur durch Eigeninitiative eintreten kann. Nach Überwindung der Krankheit herrscht eine etwas unreflektiert wirkende Freude über die wieder erlangte „Normalität“, in der man abends ausgeht und alles essen kann. Fast als gäbe es am Status Quo der Gesellschaft nichts zu kritisieren, und ihr eigenes zeitweiliges Hinausfallen aus der „Normalität“ sei nicht ergründbar. Wie sie aus dem Teufelskreis entkommen ist, schreibt sie jedenfalls nicht.
Susa
Julia Kohlhofer: Es ist schön ein Flamingo zu sein. Anorexia nervosa. 74 Seiten, Bibliothek der Provinz, Weitra 2019 EUR 10,00