Frei von Weiblichkeits-Mentalität

In flottem, gut lesbarem Stil legen die beiden Journalistinnen dar, warum so viele Frauen irgendwann ihre Träume aufgeben, sich in klischeehafte Rollenverteilungen und Berufe fügen. Es seien nicht mehr Verbote und Gesetze, nicht nur strukturell schlechtere Rahmenbedingungen, sondern das „innere Korsett“ an Überzeugungen und Normen, das sie früher oder später, stärker oder schwächer aufhören lässt, ihr eigenes Ding zu leben. Auf rund 150 Seiten fächern sie auf, wie Weiblichkeitserziehung von ganz klein auf Mädchen zunehmend in Bewegungsspielraum und Entfaltungsmöglichkeiten beschneidet: Interviewzitate, Ergebnisse aus Hirnstudien über Berufsfeldrecherchen bis hin zur Genitalchirurgie werden in übersichtlichen Kapiteln ordentlich zusammengefasst und bieten viel Grundlage für eigene Diskussionen. Unausgesprochen bezieht sich dies alles auf den globalen Norden und hauptsächlich Mittelschichtsbiografien, geschlechtsspezifische (sexuelle) Gewalt wird dabei leider auch kaum Thema. In den finalen 30 Seiten werden Gegenbeispiele aufgezeigt, wie es unabhängig der Geschlechterklischees geht, dass weibliche Figuren in Film, Fernsehen und Werbung auch widersprüchlich, unperfekt und lustig sein können. Die Autorinnen wollen mit dieser Zusammenschau Frauen zur individuellen Selbstermächtigung, der Korsett-Verweigerung ermuntern, indem sie gesellschaftliche Mechanismen aufzeigen und erklären. Sie stellen strukturelle Bedingungen und Gegenmaßnahmen (wie z. B. die Quote) in ihrer Wirksamkeit nicht in Abrede, erwarten schlussendlich aber individuelle Entscheidungen. Klingt widersprüchlich. meikel

Gabriela Häfner, Bärbel Kerber: Das innere Korsett. Wie Frauen dazu erzogen werden, sich ausbremsen zu lassen.  217 Seiten, Verlag C. H. Beck, München 2015 EUR 15,40