Vergewaltigung als gegendertes Verbrechen

Vergewaltigung gilt als Verbrechen des Patriarchats schlechthin. Und – so argumentiert Sanyal – es ist das am meisten „gegenderte“ Verbrechen. Beim Thema Vergewaltigung halten sich auch in feministischen Diskursen hartnäckig Geschlechterstereotypisierungen über Männer als gewaltbereite Täter und Frauen als verletzliche Opfer sowie die Vorstellung, dass vergewaltigte Frauen durch eine Vergewaltigung nicht nur als Menschen, sondern in ihrer Weiblichkeit verletzt wären und ihr Leben lang darunter zu leiden hätten. Warum warnen wir Mädchen davor nachts auf die Straße zu gehen, obwohl weit mehr Männer Opfer von Gewaltverbrechen im öffentlichen Raum werden? Aus einer kulturwissenschaftlichen Perspektive nähert sich die Autorin dem Thema und analysiert Vergewaltigungsdiskurse von Roman Polanski über Natascha Kampusch bis zur Silvesternacht von Köln. Sie geht der Frage nach, was Vergewaltigung zu einem so besonderen Verbrechen macht, wie die Erwartung der Gesellschaft, wie Frauen sich nach einer Vergewaltigung zu fühlen haben, die Betroffenen oftmals entmündigt und wie der gesellschaftliche Umgang mit den Opfern zu Retraumatisierungen führen kann.

Sanyal appelliert, das Verbrechen Vergewaltigung nicht ans Geschlecht zu binden. Transpersonen und Männer werden als Opfer unsichtbar, wenn ausschließlich von Frauen als Opfer die Rede ist. Sanyal stellt Begriffe und Konzepte in Frage und es gelingt ihr, den Blick zu weiten. Die Frage, wie Vergewaltigung gesellschaftlich verhindert werden kann, kann sie aber auch beantworten. Lesenswert! Verena Fabris


Mithum M. Sanyal: Vergewaltigung. Aspekte eines Verbrechens. 237 Seiten, Edition Nautilus, Hamburg 2016 EUR 16,50