Früher war es besser

Ana Iris Simón ist der soziale Aufstieg gelungen, sie hat das Dorf ihrer Kindheit verlassen, um in Madrid zu studieren. Zunächst genießt sie den Rausch der Freiheit, aber mit Anfang Dreißig fühlt sie sich in ihrem winzigen Reich mit Handy, Ikea-Regal und Streaming-Abos zunehmend ohne Perspektive. „Ich beneide meine Eltern um ihr Leben in meinem Alter“, schreibt die Autorin am Beginn ihres autobiographischen Debütromans. In zahlreichen Rückblenden auf ihre Kindheit erzählt die 1991 Geborene mit einer gewissen Wehmut von Sommerferien, Geburtstagen und anderen familiären Ereignissen. Am meisten vermisst sie den sozialen Zusammenhalt, den sie in der radikal individualisierten gesellschaftlichen Gegenwart nicht finden kann. Darüber hinaus beschreibt Ana Iris Simón aus kindlicher Perspektive die Auswirkungen der Weltgeschichte in der Provinz: „Ich wohnte dem Ende von Spanien bei, dem Ende der Einzigartigkeit“. Mit ihrem Roman gelingt es ihr, nicht nur ihre eigene Geschichte aufzuschreiben, sondern auch die einer ganzen Generation.
Ute Fuith
Ana Iris Simón: Mitten im Sommer. Aus dem Span. von Svenja Becker. 256 Seiten, Hoffmann und Campe, Hamburg 2022 EUR 25,50