Gibt es die „eine“ Frauenbewegung?

Jana Günther unternimmt in ihrer Studie einen Ländervergleich zwischen dem wilhelminischen Deutschland und dem viktorianischen Großbritannien, um nachzuweisen, in welcher Form sich Frauen organisiert haben. Nach der Einleitung werden der theoretische Bezugsrahmen und das methodische Vorgehen ausgewiesen. Danach folgt ein historischer Abriss, der die Demokratisierung und Industrialisierung sowie die politischen Verhältnisse im ausklingenden 19. Jahrhundert und zu Beginn des 20. Jahrhunderts vorstellt. Gearbeitet wird mit einer makrosoziologischen Perspektive, die davon ausgeht, dass Mobilisierungs- und Organisationsformen der Frauen durch externe Kontexte beeinflusst werden. Als Analyse-Kategorien werden politische Mitbestimmung, Arbeit und Bildung sowie Familienpolitik, Sittlichkeit und Soziales festgelegt. Von großer Wichtigkeit in der damaligen Zeit war der Zusammenschluss von Frauen in offiziellen und inoffiziellen Frauenbündnissen mit konkreten Strukturen, Ämtern und Aufgaben. In der Regel gab es auch Bewegungszeitschriften, die die Versorgung mit Informationen garantierten. Der Zusammenschluss von Frauen in Großbritannien war einfacher als in Deutschland, da sie keinen Vereinsgesetzen unterworfen waren, die die Gründung von Frauenvereinen untersagten. Vehement setzten sich die Frauen in beiden Ländern für das Wahlrecht und für Bildungsfragen ein. Die Studie eignet sich für historisch interessierte LeserInnen, die in der ausgewiesenen Zeitspanne die Entwicklungsschritte des Feminismus nachvollziehen wollen.
Silvia Moosmaier
Jana Günther: Fragile Solidaritäten – Klasse und Geschlecht in der britischen und deutschen Frauenbewegung. 385 Seiten, Marta Press, Hamburg 2019 EUR 44,00