Lesen / Leben

„Mein Vater hat keine Bücher gelesen. Deshalb kann ich heute nicht genau sagen, wer er war.“ So beginnt die 1970 geborene Schweizer Autorin, bislang im Literatur- und Kulturbereich tätig, ihr erstes Buch. Sie erzählt von ihren frühen Leseerfahrungen in einer nichtlesenden Familie, von Pixi-Büchern über Enid Blyton bis zu „Krieg und Frieden“, von der Deutschlehrerin, die sie herausfordert, der Buchhändlerin, die ihr Jelineks „Klavierspielerin“ verkauft oder dem Kollegen in der Bibliothek, dem sie, von seiner Buchauswahl fasziniert, eine Zeitlang „nachliest“. Wir erfahren von Bibliothekarinnen, denen sie durch ihre Buchauswahl imponieren will und von sexuellen Aha-Erlebnissen, vom gemeinsamen Lesen, vom einsamen Lesen, viel vom Kindsein, vom Erwachsenwerden und in einem Epilog von einem Erwachsenenleben mit Mann und Kind, in dem das Lesen noch immer wesentlich ist, dem harmonischen Familienleben im Weg steht und alles offen ist. „Wenn ich selbst lese und auch, wenn ich in ein Spiel vertieft bin, besitze ich weder Masse noch Volumen, sondern bin nichts, nur frei“ – so charakterisiert die Autorin ihr (Lese)Leben in diesem anregenden Buch für alle leidenschaftlichen Leser*innen.

Helga Widtmann

Karin Schneuwly:Glück besteht aus Buchstaben.207 Seiten, Nagel & Kimche, München 2017 EUR 18,50