Liebe in Zeiten abgeklärter Sehnsucht

Widersprüchlich wie ihre Zeit sind die Frauenfiguren in Mary Millers lakonisch und dicht erzählten Geschichten aus den heutigen USA. Sie suchen nach Liebe und misstrauen ihr doch zutiefst, sie spielen die bestmögliche Version ihrer selbst und fürchten, jederzeit als nicht genügend entlarvt zu werden – dabei sind ihnen die Männer, denen sie gefallen wollen, doch im Grunde ziemlich egal. Alle Beziehungsentwürfe scheinen nur Versuche auf Zeit zu sein und darauf aus, der unaushaltbaren Mittelmäßigkeit vielleicht doch noch einen Sinn zu geben. Dabei oder deswegen trinken die Frauen zu viel Bier und genieren sich auch für diese Schwäche, aber nicht so sehr, um gegen sie anzugehen. In den elf kurzen Geschichten brodelt es mehr unter der Oberfläche, als dass tatsächlich etwas passiert. Die Spannung liegt in dem dauerpräsenten Gefühl, dass alles jederzeit auseinanderfallen könnte. Große Empfehlung!

Judith Staudinger

Mary Miller: Always Happy Hours. Aus dem amerik. Engl. von Stefanie Jacobs 192 Seiten, Hanser, Berlin, 2021 EUR 22,70