Machtvolle Wahrnehmung

Bettina Stangneth ist vor allem für ihre Texte zum Nationalsozialismus bekannt. „Hässliches Sehen“ ist der letzte Teil ihrer Essay-Folge, nach „Böses Denken“ und „Lügen lesen“. Darin beschäftigt sich die deutsche Philosophin damit, was das „Sehen“ für uns Menschen bedeutet. Wie machtvoll Bilder sind, wie wir Sinn aus ihnen ziehen oder erst kreieren, und welchen Wahrheitsanspruch das, was wir mit den Augen wahrnehmen, überhaupt behaupten kann. Sie zieht Beispiele wie Überwachungskameras heran und parallelisiert diese Situation mit der religiösen Idee eines allsehenden Gottes. Diese Vorstellung nennt sie „Opium des Gewissens“. Im Text werden unsere alltäglichsten Gewohnheiten beleuchtet und hinterfragt, was spannend und teils absurd ist. Gewitzt, pointiert, dabei aber teilweise etwas anspruchsvoll liest sich dieses Essay dennoch gut verständlich.
Lilian Karr
Bettina Stangneth: Hässliches Sehen. 147 Seiten, Rowohlt, Hamburg 2019, EUR 20,00