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Als eine der einflußreichsten Medienkünstlerinnen kann Lynn Hershman Leeson auf ein reiches interdisziplinäres Werk verweisen. Zum einen ist sie in ihrem künstlerischen und performativen Schaffen stets mit verstörenden Settings und Kunstfiguren in die Öffentlichkeit getreten. Berüchtigt etwa war das „Roberta Breitmore‘“-Projekt, das ihren Forschungsansatz exemplarisch verdeutlicht: Eine fiktive Persönlichkeit wird durch fünf unterschiedliche Schauspielerinnen „realisiert“. Zehn Jahre lang, nach Hershmans Zeitrechnung B.C. = before computer, wurden durch Roberta Gesellschaftsbilder produziert, entsprechend Hershmans Forschungsschwerpunkt zur Konstruktion von Identität, immer auch im Hinblick auf Sexualität und gesellschaftliche Machtverhältnisse. Zum anderen war sie mit ihren konzeptuellen Forschungsthemen und ihrer Technikaffinität stets Teil intellektueller Debatten. Seit fünf Jahrzehnten bezieht sie aktuelle und zeitgenössische Problematiken in ihre Arbeit ein, momentan etwa transgene Lebewesen und 3D-Bioprinter. Zentral bleibt auch in unserer Zeit – A. D., after digital – stets die Frage nach Abbildern und nach Möglichkeiten, mit Kontrollregimen umzugehen.

Susanne Karr

Lynn Hershman Leeson: Civic Radar. 384 Seiten, Hatje Kantz Verlag, Berlin 2016EUR 45,00