Reproduktion intersektional beobachtet

Dass die neu geschaffenen technischen Möglichkeiten für die menschliche Fortpflanzung einer kritischen Betrachtung unterzogen werden müssen, wurde kürzlich von Antje Schrupp unter dem Titel „Reproduktive Freiheit“ konstatiert. Aus einem ebenfalls feministisch-ethischen Verständnis heraus nimmt die Schweizer Sozialanthropologin Laura Perler die rechtliche wie auch medizinische Grauzone der transnationalen Eizellenspende unter die Lupe. Bereits im Glossar zu ihrem patchworkartigen Forschungsbericht über die genanalytische Praxis bei der Weitergabe von Eizellen sticht der Begriff „imaginativ“ heraus. Die großteils mittels teilnehmender Beobachtung forschende Autorin leitet daraus ihre Arbeitshypothese ab und rückt die Wirkmacht der kollektiven Idealvorstellung des ‚gesunden’ Kindes in den Fokus. Anhand von Tagebuchnotizen, Interview-Zitaten, Fotos sowie Audio- und Videoaufnahmen führt Perler die Lesenden wie in einem Dokumentarfilm an die Schauplätze des nicht validierten Verfahrens einer privatwirtschaftlich geführten Reproduktionsklinik in Spanien und deckt im Zuge der Datenauswertung die impliziten Ungleichheitsstrukturen und die damit reproduzierten Macht-asymmetrien zwischen Einkommensklassen als auch zwischen vermeintlichen Expert_innen und Nicht-Expert_innen auf. Durch die teils überraschende Ehrlichkeit der befragten Eizellenspenderinnen und -empfängerinnen als auch des Fachpersonals der Klinik werden die Lesenden mit Aussagen konfrontiert, die einer Triggerwarnung bedürfen.
anita inzinger
Laura Perler: Selektioniertes Leben. Eine feministische Perspektive auf die Eizellenspende. Forschungsbericht. 284 Seiten, edition assemblage, Münster 2022 EUR 18,50