Urbane Provinz

Archaeophyten sind eigentlich ebenso nicht einheimisch wie Neophyten, bloß schon länger – bereits vor dem Jahr 1492 – verzeichnet. Überlegungen wie diese finden sich viele in diesem vergnüglichen Roman. Psychoanalyse und die Verteidigung des eigenen Charakters, der Stellenwert von Sex und Selbstinszenierung bilden weitere Elemente und verflechten sich im Wunsch nach Distanz zur Getriebenheit der Moderne. Vielfältige Ideen wuchern, ganz im Sinne des titelgebenden Gartens. Ungewöhnlich ist der erste Eindruck, ein einfacher Stil wie gesprochene Sprache. Die einzelnen Abschnitte scheinen zunächst nichts miteinander zu tun zu haben, entwickeln aber im Zusammenspiel eine Dynamik, die ihren Reiz nach und nach entfaltet. Jedes kurze Kapitel hat einen Titel, manche kommen öfter vor und werden gezählt, etwa Schafe I, II, III etc., oder Gott I, II. oder die Nachbarin I, II, III. Die Autorin ist auch Filmemacherin, entsprechend bildhaft erstehen die Szenen beim Lesen vor Augen. Sie schreibt mit gleichmäßigem Respekt vor allem, einer Art achtsamen Objektivität, egal ob es um die Glucke oder den Salat oder den Liebhaber geht. Immer begründet sie Verhalten aus der Sicht der jeweiligen Subjektivität, kontrastiert das äußerlich Beobachtete. In einer Art liebevollen Ironie schildert sie das Dorf und seine BewohnerInnen, unter ihnen Stadtflüchtlinge wie sie selbst, Menschen, die entschleunigen wollen, KünstlerInnen, Japanerinnen, die ein Café eröffnen, vegane Gärtnerinnen und jede Menge Tiere.
Susa
Lola Randl: Der große Garten. 320 Seiten, Mathes & Seitz, Berlin 2019
EUR 22,70