1000 gespaltene Grüße!

So endet der 30 Jahre lang bestehende Briefwechsel zwischen zwei unterschiedlichen Frauen, der Lyrikerin Sarah Kirsch und der Schriftstellerin Christa Wolf. Die Wende in der DDR dürfte die Zäsur in dem Verhältnis der beiden provoziert haben. Bevor 1977 Sarah Kirsch auf eigenen Wunsch in die BRD ausgebürgert wird, sehen sie sich regelmäßig, danach seltener. Sie pflegen über die Grenzen ihre Freundschaft weiter, indem sie sich in Briefen über ihre Schreibprodukte, ihren Alltag, Männer, Kinder, die Natur, sterbende Bekanntschaften aus der Literaturszene und über politische Ereignisse verständigen. Während Kirsch als Alleinerzieherin über Geldnöte klagt, wird Wolf von den verschiedensten Krankheiten geplagt, die manchmal mit langen Spitalsaufenthalten einhergehen. Die politischen Meinungen werden in den verschiedenen Ansichten über den Machtapparat der DDR, später dann über die Rolle Gorbatschows bei der Perestroika deutlicher. Die gemäßigte Wolf ist eher eine Vermeidungsvirtuosin, was einen offenen Konflikt mit der SED angeht. Die impulsive Kirsch, nach ihrer Ausreise zurückgezogen auf dem Land in Niedersachsen lebend, bleibt leidenschaftlich unversöhnlich, wenn es um Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen geht. Zuweilen berührend nah und dennoch fern, so ließe sich der Austausch umschreiben! Die Briefedition ist mit informativen Verweisen ausgestattet, die über die jeweiligen sozialen Zusammenhänge der beiden aufklären. Für Anhänger*innen ein Geschenk!

ML

Sarah Kirsch – Christa Wolf „Wir haben uns wirklich an allerhand gewöhnt“ – Der Briefwechsel. Hg. von Sabine Wolf u. Heiner Wolf. 438 Seiten, Suhrkamp, Berlin 2019, EUR 32,90