Eine politische Architektin

Längst überfällig liegt nun eine Biografie mit umfangreichem Fotomaterial über das ein Jahrhundert überspannende Leben Schütte-Lihotzkys vor. Von den Anfängen in Wien als erste Frau erfolgreich im sozialen Wohnungsbau arbeitend, über Frankfurt, wo sie unter Ernst May an der Entwicklung des seriellen Hausbaus wirkt, bis zu ihrem siebenjährigen Aufenthalt in der Sowjetunion, um mit ihrem Mann am Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft in der Städteplanung und im Schulbau zu arbeiten. In ihren Aufzeichnungen und Briefen über die Reisen ab 1933 nach Japan und China dominiert die architektonische Perspektive. Sie verlassen die UdSSR 1937 und finden in Istanbul Arbeit. Schütte-Lihotzky engagiert sich aktiv als antifaschistische Widerstandskämpferin, geht nach Wien, wo sie verraten wird, ist bis 1945 vier Jahre in Haft und entkommt nur knapp der Hinrichtung. Horncastle zitiert ausführlich aus den Briefen an Ehemann und Schwester, in denen sich ihr Durchhaltewille und ihre Sorge um andere zeigt. Nach dem Krieg bekommt sie in Wien als Kommunistin kaum mehr Bauaufträge. Sie engagiert sich leidenschaftlich für Frauenrechte, Völkerverständigung, Frieden und Abrüstung. Schließlich erhält sie doch noch Anerkennung zu Lebzeiten mit der großen Ausstellung im Wiener Museum für angewandte Kunst 1993. Horncastle beschreibt sie als beeindruckende Frau mit starken politischen Überzeugungen, der die soziale Frage und Solidarität ein zentrales Anliegen sind, lässt aber auch kritische Gesichtspunkte nicht außer acht – insgesamt lesenswert.

Eva Cyba

Mona Horncastle: Margarete Schütte-Lihotzky – Architektin – Widerstandskämpferin – Aktivistin. 304 Seiten, Molden, Wien 2019, EUR 28,00