Erinnerungen einer politischen Ärztin

Es ist eine abenteuerliche und ereignisreiche Lebensgeschichte der 1915 als Tochter einer wohlhabenden bürgerlichen jüdischen Familie geborenen Rosa (Rosl) Marie Ebner. Das mutterlose spätgeborene Mädchen wird vom „Personal“ aufgezogen, ihre eigentliche Erziehung übernehmen ihre älteren politisch interessierten Brüder. Rosl selber hat damals ein sorgenfreies, vergnügliches Leben. Ihre Berührung mit der Sozialdemokratie läuft nur nebenher und erweckt bei ihr kein sonderliches Interesse. Sie beginnt das ersehnte Medizinstudium, das bald durch die Ereignisse der Zeit unterbrochen wird. 1938 ermöglicht ihr eine Scheinehe zunächst nach Frankreich, dann nach England zu emigrieren. Ihre Mitarbeit bei der Exilorganisation der österreichischen Kommunistischen Partei verschafft ihr ein gewisses Zugehörigkeitsgefühl. Nach dem Krieg kehrt sie mit ihrem späteren Ehemann nach Wien zurück. Beide vollenden unter prekären Umständen ihr Studium, Hugo Ebner wird Anwalt, Rosl Ebner eröffnet 1957 ihre eigene Praxis. Sie bereist in entwicklungspolitischen Belangen süd- und mittelamerikanische Länder, betätigt sich frauenemanzipatorisch und sozialaufklärerisch. Trotz vieler Enttäuschungen hält sie ihrer Partei und deren Maximen die Treue. Ihre lebensgeschichtlichen Aufzeichnungen hat Rosl Ebner in Form fiktiver Briefe an eine junge Freundin verfasst. Zuweilen etwas kunstlos, aber sehr lebendig schildert sie in einem Atemzug Vergangenes und Gegenwärtiges und lässt uns insbesondere die Zwischenkriegszeit nachempfinden. Für ihre vielen Freunde wird sie immer ein Beispiel eines geglückten Lebens darstellen.

Monika Zopf

„…dass du die Stimmung der Jahrzehnte spürst.“ Ein Stück österreichischer Zeitgeschichte, aufgezeichnet von Rosa Marie Ebner (1915 – 1994). Hg. von Edith Stumpf-Fischer, Linda Erker und Anna Drechsel-Burkhard. 463 Seiten, Praesens Verlag, Wien 2019, EUR 38,00