Revolte in den Einbauküchen!
Nach Ansicht der Autorin wurde bisher das magische 68er Jahr in der westdeutschen Gesellschaft zu sehr an männlichen Ikonen visualisiert und mystifiziert. Ausgehend vom Schauplatz der Universitätsstadt Bonn nimmt sie Audioarchivmaterial aus diesem Intervall unter die Lupe. Ihre Hypothese ist, dass die zentralen Inhalte der Neuen Frauenbewegung, die ihren Ausgang 1968 nahmen und in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts eine gesellschaftliche Reichweite erhielten, in den früheren Arbeiten zu kurz gekommen seien: Die Ausweitung des Politischen auf das Private, die Konstituierung von Frauen als politische Protagonistinnen, die Revolutionierung der Geschlechterrollen, die Entwicklung der Kinderläden und das Recht auf Abtreibung als Themen werden mit interessanten Quellen belegt. Der Mythos, dass die studentische Protestbewegung von 1968 vor allem einen Generationenkonflikt auszutragen hatte, wird entkräftet. Zahlreiche der Bewegungseltern verkörperten einen liberaleren Umgang mit gesellschaftlichen Brennpunkten. Nicht von ungefähr pflegten viele unter ihnen einen intensiven Austausch mit ihren Kindern. Neben den Zitaten aus Audioquellen zieht die Historikerin sozialwissenschaftliche Untersuchungen heran, um anhand verschiedener Alterssegmente zu klären, wie unterschiedlich, aber auch zuweilen gleichförmig deren Haltungen zu gesellschaftlichen Fragen waren. Ein gelungener, detailreicher Beitrag, der viele Facetten der damaligen Gesellschaft aufwirft und nachvollziehbar aufbereitet.
ML
Christina von Hodenberg: Das andere Achtundsechzig – Gesellschaftsgeschichte einer Revolte. 250 Seiten, Verlag C.H. Beck, München 2018 EUR 25,70