Das imperativische Glück

Der tablettensüchtige Arzt Jonas Blaum ist auf der Suche nach dem wahren Leben, nachdem er das „ganze Haben“ in der deutschen Konsumwelt und damit seine persönlichen Stimmungen, manchmal überdreht, dann wieder erstarrt zu sein, satt hat. Er reist nach Amman, um seinen Freund Bassan zu treffen. Bereits als Kind hat er in Saudi-Arabien gelebt, nachdem sein marxistisch denkender Vater dort als Arzt für eine bessere Welt praktizieren wollte und ge­scheitert ist. Seine Reflexion über die Kindheit ist von einer zentralen Verlustgeschichte geprägt, denn seine kleine Schwester, die nicht über ein eindeutiges Geschlecht verfügte und aufgrund ihres ungewöhnlichen androgynen Aussehens bereits in Deutschland schikaniert wurde, wird in Riad entführt und kehrt verstört und ohne Lebensfreude zurück. In Amman wird ihm von einem Sufi dessen an einer seltenen aggressiven Generkrankung leidendes Kind anvertraut, welches er betreut und zwecks weiterer medizinischer Untersuchungen nach Jerusalem begleitet. Auch dieses Kind verschwindet, wie seine kleine Schwester. Aus Staub wird wieder Staub. Vieles bleibt auf Jonas Identitätsreise offen, die Fragen der Sinnsuche werden mit verschiedensten religiösen und kulturellen Motiven untermalt und sind schwer zu entschlüsseln. Ein sprachlich intensiver Roman, der die Überforderung des Menschseins in den Mittelpunkt rückt und die Auswirkungen einer unsicheren, polarisierten Welt mittels der Befindlichkeit des Individuums problematisiert. Anregende Andeutungen!

ML

Svenja Leiber: Staub. 245 Seiten, Suhrkamp, Berlin 2018 EUR 22,70