Das Private ist politisch
Wilhelmine Goldmann beginnt ihre Familiengeschichte um 1900, den frühen Jahren der ArbeiterInnenbewegung, und diese endet in der Gegenwart. Anhand von Briefen, unveröffentlichten Aufzeichnungen und Gesprächen versucht sie, die Geschichte der Familie Lettner, ihre Familiengeschichte, zu rekonstruieren. Eine Geschichte, die eng verbunden ist mit der österreichischen ArbeiterInnenbewegung und der wechselhaften Entwicklung der Demokratie. Es ist auch eine Beschreibung des sozialen Aufstiegs einer ursprünglich armen Arbeiterfamilie. Die großen historischen Ereignisse, besonders die austrofaschistische Diktatur, haben auch Auswirkungen auf das Leben ihrer Eltern. Der Vater wird 1934 als Schutzbündler wegen Hochverrats inhaftiert. Trotzdem betätigen sich sowohl der Vater als auch die Mutter im Rahmen der Revolutionären Sozialisten. In der Zeit des nationalsozialistischen Terrorregimes bleiben die Lettners unauffällig. Ab der Nachkriegszeit ist der Vater für die SPÖ tätig, etwa als Bürgermeister seiner Heimatgemeinde Traisen. Wilhelmine Goldmann gelingt es, Einblicke in die österreichische Geschichte und die der Arbeiterbewegung zu geben. Sie bedauert die bis heute mangelhafte Aufarbeitung der Zeit des Austrofaschismus. Durch die Verknüpfung mit der Geschichte ihrer eigenen Familie, bleibt die Lektüre spannend und das Buch gut zu lesen. Für eine nähere Beschäftigung mit der Thematik sei auf die zahlreichen Anmerkungen verwiesen, da es leider kein Literaturverzeichnis gibt.
Karin Nusko
Wilhelmine Goldmann: „Rote Banditen“ Geschichte einer sozialdemokratischen Arbeiterfamilie. 239 Seiten, Promedia, Wien 2023 EUR 26,00