Die einfachen menschlichen Dinge
Im England nach dem Ersten Weltkrieg sieht die Regierung nur einen Weg, um einen weiteren Krieg zu verhindern: Die Dummheit der Menschen muss bekämpft werden. Das Ministerium für Verstand versucht, dieses Ziel mit allen Mitteln zu erreichen: Einstufung in Intelligenzklassen, Ehegesetze, strenge Besteuerung von trotz Eheverbot gezeugten Kindern und nicht zuletzt verpflichtende Verstandsschulungen – dies alles propagiert durch den charismatischen Verstandsminister Nicky Chester. Dumm nur, dass weite Teile der Bevölkerung diese Zwänge ablehnen. Die aufstrebende Ministeriumsmitarbeiterin Kitty Grammont kann sich den Luxus leisten, diese Politik langweilig und aussichtslos zu finden, den Minister selbst aber sehr interessant. Der Minister ist zwar in der höchsten Intelligenzklasse, aber nicht für die Ehe zertifiziert. Es steht zu befürchten, dass eine verbotene Beziehung nicht nur seinen Sturz, sondern auch gleich den Sturz des ganzen wackeligen Systems bedeutet. Kitty und Nicky heiraten trotzdem (wie sein Vater sagt: die einfachen menschlichen Dinge können nicht ersetzt werden) – und erwartungsgemäß endet die Geschichte mit einem abgefackelten Ministerium und einem arbeitslosen Minister. Die 1881 geborene Rose Macaulay war eine der erfolgreichsten britischen Autorinnen, außerhalb von England ist sie jedoch in Vergessenheit geraten. Nicht umsonst gilt ihr ausgezeichnetes Buch als eine Inspiration für Huxleys Schöne Neue Welt.
Gabriele Mraz
Rose Macaulay: Was nicht alles. Aus dem Eng. von Josefina Haubold. 280 Seiten, AvivA, Berlin 2022 EUR 23,50