Ein Leben für den Verlag

Hanna Mittelstädt beschreibt in ihrem Buch die Geschichte des legendären Nautilusverlages, dessen Mitbegründerin sie war. Aus einem Kreis anarchistischer Aktivist:innen entstanden und ursprünglich gar nicht als Verlag konzipiert, begannen Anfang der 70er Jahre im Sog der revolutionären Aufbruchstimmung dieser Zeit Hanna Mittelstädt, Lutz Schulenburg und Pierre Gallissaieres, die zwölf Ausgaben der Situationistischen Internationale zu übersetzen. Es galt, nicht weniger als „die bestehende Organisation der Welt als Ganzes“ in Frage zu stellen. Es folgten vierzig Jahre bewegter Verlagsgeschichte, unter anderem die Herausgabe dadaistischer und surrealer Texte, besonders erwähnenswert darunter das Mammutprojekt der Werkausgabe von Franz Jung und zahlreiche Schriften zeitgenössischer dissidenter, linksradikaler Autor:innen mit großem Gespür für den Puls der Zeit. Wer sich eine chronologische, womöglich vollständige Verlagsgeschichte erwartet, könnte von diesem Buch enttäuscht sein. Wer aber von einem gegenwärtigen Blickwinkel geschriebene lebendige, subjektive Geschichte(n) entlang des ‚Glutkerns‘, der den Verlag beseelte, schätzen kann, die/den erwartet ein spannendes Stück Zeitgeschichte.
Anna Leder
Hanna Mittelstädt: Arbeitet Nie! Die Erfindung eines anderen Lebens. 380 Seiten, Edition Nautilus, Hamburg 2023 EUR 28,80