Feminismus in Italien

Berlusconis Affäre mit einer siebzehnjährigen Tänzerin löste 2011 einen Sturm der Entrüstung aus, sodass eine landesweite Frauenbewegung mit dem Titel „Se Non Ora Quando“ (SNOQ) in Italien entsteht. Orientiert an den Bedürfnissen der cis* Menschen setzen sich die unterschiedlichen landesweiten Gruppen vor allem aus Frauen mittleren Alters mit akademischer Vorbildung zusammen. Sie prangern mit unterschiedlichen Aktionen das sexistische Frauen­bild in den Medien, die gesellschaftliche Benachteiligung der Frauen, Femizide und die Unterwanderung der Gesellschaft durch die Mafia an. Die Ethnologin Näser-Lather untersucht anhand von Diskursanalyse, qualitativen Interviews und teilnehmender Beobachtung, welche Aktionsformen und Inhalte von den regionalen Gruppen der Bewegung gewählt werden. Ideologisch ist die Bewegung SNOQ dem Differenzfeminismus der 1970er Jahre verpflichtet, wobei Unterschiede benannt werden: Die Forderungen sind weniger links anzusiedeln. Ein Ausschluss von männlicher Teilnahme ist nicht mehr vorgesehen. Elemente des liberalen Feminismus werden berücksichtigt. Ein parteifreier Zugang ist im Hinblick auf die partielle Bündnisfähigkeit mit den Parteien bei den gestellten Anliegen erwünscht. In den letzten Jahren hat die überregionale Bewegung an Anziehungskraft verloren, es sind nur mehr ein Zehntel der Gruppen aktiv. Eine Forschungsarbeit, die nicht nur von einer ausführlichen Analyse des Untersuchungsgegenstands lebt, sondern verschiedenste geisteswissenschaftliche Theorieansätze einbindet und gut lesbar ist.
ML
Marion Näser-Lather: Ein Land für Frauen – Ethnographie der italienischen Frauenbewegung „Se Non Ora Quando“. Internationale Hochschulschriften Bd. 668. 398 Seiten, Waxmann, Münster 2019
EUR 44,90