Häusliche Pflegearbeit in Italien
In Italien ist das „Migrantin in der Familie“-Modell der häuslichen Pflege äußerst weit verbreitet. Luisa Talamini fragt in ihrem Buch, warum – warum pflegen vor allem Frauen*, warum zu Hause und warum Migrant*innen? Eine Stärke der Arbeit liegt darin, in einer kritischen Betrachtung der Familie als zentrale Instanz das Dilemma der „weißen“ Frauen* herauszuarbeiten. Ihre „dopia presenza“ in der öffentlichen sowie familiär-privaten Sphäre schafft unter patriarchalen Geschlechterverhältnissen und einer staatlichen Gesetzgebung, die sich auf familienbasierte Care-Arbeit stützt, enormen Druck, trotz Berufstätigkeit für die Pflegearbeit zuständig sein zu müssen. Unter diesen Bedingungen werden in einer intrageschlechtlichen Arbeitsteilung Frauen* zu „Care-Manager_innen“, die andere Frauen* für häusliche Pflege engagieren, vor allem Migrant*innen, forciert von einem restriktiv-ausgrenzenden Migrationsregime, das aber gerade im Pflegebereich Ausnahmen macht. Ein konservativer Komplex, der hierarchische gender-class-race-Verhältnisse weiter fortschreibt. Die Krise änderte daran nicht viel, außer dass die Arbeitsbedingungen für pflegende Migrant*innen noch schlechter werden. Diese kommen im Buch übrigens eher als externe Faktoren vor, was der Titel der Arbeit nicht erwarten lässt. Dennoch eine straffe, eingängig geschriebene Arbeit, die im Zusammendenken von Gender-, Care- und Migrationsregimes in ihren Erkenntnissen nicht nur für italienische Verhältnisse relevant ist.
Lisa Grösel
Luisa Talamini Migrantinnen in der Krise des Care-Modells am Beispiel Italiens. 144 Seiten, Marta Press, Hamburg 2017 EUR 21,00