In ständiger Rebellion

Endlich: Virginie Despentes hat es wieder getan! Beim Erscheinen von Cher Connard gelang es ihr schon letztes Jahr, alle möglichen Verkaufsrekorde für ihren neuen Roman in Frankreich zu brechen. Ihren Namen für die wichtigsten Literaturpreise des Landes – den Prix Goncourt, den Prix Renaudot und den Prix Femina wird man unter den Nominierten allerdings vergeblich suchen. Als Briefroman hat hier die Autorin, klassenkämpferisch wie immer, alles auf Konfrontation ausgelegt. Als ihr männlicher Hauptprotagonist Oscar in einem Instagram-Post schreibt: „Tragische Metapher einer Epoche, die den Bach runtergeht – diese göttliche Frau, die zu ihren besten Zeiten so viele Teenies in die Faszination der weiblichen Verführung eingeführt hat – heute zu einer Schlampe verkommen. Nicht nur alt. Sie ist auch auseinandergegangen, verlebt, schlechte Haut, ein schmuddeliges, lautes Weibsstück. Eine Katastrophe.“, kontert Rebecca, ohne mit der Wimper zu zucken: „Du bist wie eine Taube, die mir im Vorbeifliegen auf die Schulter kackt. Es ist dreckig und sehr unangenehm. […] Ich hoffe jetzt nur, dass deine Kinder von einem Lastwagen überfahren werden und Du ihren Todeskampf mitansehen musst, ohne etwas tun zu können […].“ Beschämt entschuldigt sich Oscar und die Korrespondenz beider, die explosionsartig begann, verwandelt sich nach und nach in einen echten Dialog. Wohin das alles führt, sei hier nicht verraten, wer aber den Roman als Kraftquelle verwenden möchte, wird reich beschenkt.
Elisabeth Streit
Viginie Despentes: Liebes Arschloch. Aus dem Franz. von Ina Kronenberger und Tatjana Michaelis. 331 Seiten, Kiepenheuer & Witsch, Köln 2023 EUR 24,70