Machtvoll und mächtig interessant

Eine der ersten Juristinnen Österreichs mit Zweitdoktorat als Ökonomin, Revolutionärin der Jugend-Sozialarbeit, „Obmann“ der Bewährungshilfe, lebenslang aktive Sozialistin und Frauenrechtlerin – es ist höchst lohnend, einen vertieften Einblick in Leben und Werk von Elisabeth Schilder (1904 – 1983) zu nehmen: Geboren in einer sozialdemokratischen, liberalen, bildungsaffinen Familie in Wien setzt sie sich früh für Frauenrechte und Sozialismus ein. Ihre jüdische Herkunft wird für sie erst durch die NS-Verfolgung relevant, nach traumatisierenden Jahren der Todesangst, Flucht, Armut und der Ermordung ihres Geliebten kehrt sie nach Wien zurück. Hier setzt sie sich konsequent für eine von Beziehungsaufbau und Psychotherapie geprägte, selbstreflexive Sozialarbeit mit verwahrlosten Jugendlichen ein. Nach ihrer Pensionierung als Bezirksamtsleiterin startet sie ihre zweite berufliche Karriere als Leiterin der noch jungen Bewährungshilfe und steht dieser – mit direktem Kontakt zu ihrem engen Vertrauten und Justizminister Broda – fast 20 Jahre resolut vor. Schilder adoptiert als Alleinerzieherin drei Kinder und mischt sich mit 254 Texten voller Verve und spitzer Feder in öffentliche Debatten ein. 16 ausgewählte Texte von Schilder stellen den Hauptteil des vorliegenden Bandes dar, dem ist ein kompakter, theoretisch unterlegter und mit zahlreichen, auch neuen Quellen versehener Essay von Gabriella Hauch und Karl Fallend vorangestellt, Gesamtbibliografie und Lebenslauf folgen. Damit ist jedenfalls ein lesenswerter Grundstein zur Erinnerung an diese beeindruckende Persönlichkeit und ihrer weiteren Beforschung gelegt.

Meike Lauggas

„Aus der Sintflut einige Tauben“ Zu Leben und Werk von Elisabeth Schilder. Hg. von Gabriella Hauch und Karl Fallend. 259 Seiten, Löcker Verlag, Wien 2020 EUR 19,80