Selbstverteidigung 1869

Im Dachboden eines Dresdner Hauses betreibt Annie Troll 1869 eine Fechtschule für Frauen. Als sie eine ihrer Kundinnen, die berühmte Balletttänzerin an der Semperoper, Serafina Bischof, tot in ihrem Unterrichtsraum findet, kontaktiert sie den ehemaligen Staatsanwalt und nunmehrigen Privatdetektiv Daniel Raabe, der den Behörden mit seinen Schnüffeleien ordentlich auf die Nerven geht. Gemeinsam versuchen sie, den Mord aufzuklären und gelangen dabei in allerlei Schwierigkeiten. Es mangelt nicht an korrupten Polizisten, unglücklichen Verehrer*innen der Toten, verdächtigen Freimaurern sowie zwielichtigen Erpressern. Ein Spazierstock mit ausziehbarem Degenstück wird bald zum ständigen Begleiter der mutigen Annie. Flott und spannend geschrieben bietet dieser Roman auch Einblicke in die Lebensumstände der 1860er Jahre: Armut und Klassenunterschiede, die immer wieder schwierige Lage verschiedener Frauenfiguren (Dienstbotinnen, Mütter mit unehelichen Kindern etc.), die Entwicklung eines unabhängigen Justizsystems sowie die Revolutionierung der Kriminalistik durch die Entdeckung der Fingerabdrücke. Manches Detail hätte vielleicht besser recherchiert werden können (die Orchesterbesetzung der Oper „Robert le diable“ etwa inkludierte gewiss kein Klavier), dies tut dem Lesevergnügen aber prinzipiell keinen Abbruch.
Kordula Knaus
Helga Glaesener: Die Tote im Fechtsaal. Historischer Roman. 396 Seiten, List-Ullstein, Berlin 2018 EUR 20,60