Viele schöne Grüße

Die 1893 in Berlin geborene Lotte Cohn legte bereits mit 23 Jahren als eine der ersten Frauen überhaupt, ihr Diplom in Architektur ab. Als (zuerst) glühende Zionistin wanderte sie 1921 nach Palästina aus, wo sie – mit zweimaligen längeren Unterbrechungen –auch bis zu ihrem Tod 1983 lebte und arbeitete. Die 80 ausgewählten Briefe mit 15 KorrespondenzpartnerInnen aus den Jahren 1921 bis 1982 geben Einblicke in ihr Leben, ihr berufliches Schaffen, ihre Einstellungen und sind sehr persönliche Zeitzeugnisse der politischen und kulturellen Veränderungen ihrer Wahlheimat, wie auch ihres Geburtslandes.
Die zahlreichen Erzählstränge machen neugierig und auch wenn, oder gerade weil, der Kontext nicht immer ganz klar ist, fühlt man sich regelrecht hineingebeamt in die Zeiten von Schiffsreisen, Telegrammverkehr und natürlich ins „gelobte Land“. Durchaus unbefriedigend ist, dass man auf ihre klugen, mit Witz und scharfer Zunge geschriebenen Briefe nie einen Antwortbrief zu lesen bekommt. Die Reaktionen ihrer BriefpartnerInnen kann man sich nur aufgrund ihrer Gegenantworten zusammenreimen. Da die zeitlichen Abstände aber teilweise Jahre betragen, bleiben spannende Tratsch und Klatschgeschichten unaufgelöst und es ist gutes Hintergrundwissen und Geschichtskenntnis nötig, um das Erzählte gut verorten zu können. Das Buch macht Lust, mehr über die Architektin Lotte Cohn zu erfahren, die bis zum Schluss eine wissensdurstige und selbstironische Frau gewesen zu sein scheint. Leseempfehlung!
Julia Lindenthal
Lotte Cohn: Eine schreibende Architektin in Israel. Bd.2. Ausgewählte Briefe (1921-1982). Hg. von Ines Sonder. 202 Seiten, Neofelis, Berlin 2017 EUR 24,70