Editorial

 

Liebe Leser*innen!

Liebe Leser*innen!
Was für eine Art Sommer wird das? Zwischen frühen heißen Tagen und abruptem Zurück-an-den-Start mit den verlängerten Eisheiligen scheint noch alles drin zu sein. Das Wetter ist nach wie vor nicht beeinflussbar, die politische Situation immerhin bedingt. In Zeiten des Umbruchs ist es noch wichtiger, sich klar zu positionieren. Jede von uns nimmt Einfluss, jeden Tag, in der Art, wie sie spricht, wie sie konsumiert, wie sie mit anderen umgeht und ob sie sich traut, Dinge zu kommentieren, die nicht in Ordnung sind. Also keine Zeit der Bequemlichkeit. Um immer wieder Energie, Argumente und Elan zu gewinnen, die täglichen Herausforderungen zu meistern, gibt es in unserer Buchauswahl jede Menge Empfehlungen. Schon seit 30 Jahren suchen wir beim WeiberDiwan aktuell relevante, feministische Literatur für euch aus und wollen das im Herbst feiern! Näheres wird noch bekanntgemacht, wir hoffen, ihr seid dabei.
Hier die aktuellen Tipps:
Andrea Günter erforscht in Gender, Gerechtigkeit und die Ökologie des Ökonomischen die früher häufig gerne belächelten Zusammenhänge von Ökofeminismus, Klimaethik und feministischer Geldtheorie. Sie bezieht sich dabei auf Hannah Arendts Konzept der Vita Activa und bringt materielle Ökonomie in den Bereichen Ökologie und Sorgearbeit mit Konzepten wie Tugendethik, biographieorientierter Politik und Gerechtigkeitsgeld zusammen.
Die blinden Flecken des patriarchal geprägten Lesens werden innerhalb des neu aufgelegten Essays Frauen lesen anders von Ruth Klüger gut sichtbar. Geschichte zu hinterfragen, ist das Anliegen von Monika Zeiners Familienroman Die Villa Sternbald oder die Unschärfe der Jahre. Er erzählt von den nationalsozialistischen Verstrickungen einer Unternehmerdynastie. Dass wir von einer geschlechtergerechten Medizin noch weit entfernt sind, erläutert Eva Biringer in ihrem Buch Unversehrt. Frauen und Schmerz. Wie tief sich Schmerz in unsere Körper einschreibt, ist im Roman Unglücklicher Abschied der südkoreanischen Nobelpreisträgerin für Literatur Han Kang eindrucksvoll beschrieben.
Mit Der Zug der Mauersegler eröffnet Imke Müller-Hellmann einen Blick auf den Himmel, der ganz praktischer Lebensraum für die namensgebenden Flugakrobat*innen ist. Mit den Flugrouten verbindet sie historische und aktuelle Vorgänge wie die Kolonialgeschichte und versteht es ganz nebenbei, diese Dominanzhaltung auf den Umgang mit der Natur und auch traditionelle Geschlechterverhältnisse zu übertragen, die für die meisten (wieder zunehmend) als ‚normal’ gelten. Einen ähnlichen Zugang schafft María Ospina Pizano in Für kurze Zeit nur hier. Sie lässt die Leser*innen teilhaben an den Eindrücken einer mehr-als-menschlichen Welt, ohne je ins Sentimentale abzugleiten. So liest sich die praktische Umsetzung einer Haltung, die mehr und andere Aspekte als kapitalistisch definierten Erfolg für wichtig hält.
Die eindringliche Darstellung einer gewaltvollen Beziehung hängt einer als Lesenden auch noch nach dem Ende des Romans Der tödliche Ausgang von Sportverletzungen von Milica Vučović nach. In Leyla Bektaş‘ Wie meine Familie das Sprechen lernte wird sehr schön eine Familiengeschichte erzählt, die verschiedene Wege aufzeigt, mit Unterdrückung und Verfolgung umzugehen, ohne diese zu bewerten.
Und damit wünschen wir euch viel Inspiration beim Durchstöbern der neuen Ausgabe!

WeiberDiwan-Redaktion