Die Identität bleibt verborgen
Sylvia Köchl hat in gründlichen Quellenstudien anhand von Gerichtsakten die Geschichte von acht sogenannten „Berufsverbrecherinnen“ aus Österreich rekonstruiert, die ins Frauenkonzentrationslager Ravensbrück deportiert wurden und mittlerweile verstorben sind. Einen breiten Raum nehmen Hintergrundinformationen zu Gefängnissen und Justiz im Nationalsozialismus, dem Frauenkonzentrationslager Ravensbrück, wie auch dem österreichischen Opferfürsorgesetz in der Praxis ein. Die als „Berufsverbrecherinnen“ bezeichneten Frauen bleiben schemenhaft hinter diesen Etikettierungen verborgen. Von ihnen gibt es keine Berichte oder veröffentlichte Erinnerungen, denn sie mussten nach der „Befreiung“ befürchten, noch mehr diskriminiert zu werden, wenn sie über ihre Internierung gesprochen hätten. Zwar konnte Köchl einiges darüber in Erfahrung bringen, was „Politische“ über „Berufsverbrecherinnen“ dachten, nicht jedoch umgekehrt. Durch die alleinige Wiedergabe von Gerichtsakten und Hinweisen in Unterlagen der NS-Bürokratie können den Betroffenen vielleicht ihre Namen zurückgegeben werden, aber nicht ihre Geschichte und Würde. Die Erforschung sogenannter „Krimineller“ im Nationalsozialismus war der Mainstreamgeschichtswissenschaft bisher kein Anliegen. Ein Thema, welches noch weiteren Blickwinkeln unterworfen werden sollte. Angela H. Mayer
Sylvia Köchl: „Das Bedürfnis nach gerechter Sühne“ – Wege von „Berufsverbrecherinnen“ in das Konzentrationslager Ravensbrück. 340 Seiten, Mandelbaum, Wien 2016 EUR 24,90