Zermalmende Knochen
Der Roman beginnt beim Zahnarzt, da die Protagonistin ihre Zähne zermalmt. Was sie jedoch eigentlich zermalmen will, davon handelt der Debütroman von Jehona Kicaj. Es geht um Sprache; die deutsche, die sie erst durch Trickfilmserien und dann im Kindergarten und der Schule lernt, sich jedoch lange weigert, diese zu sprechen; die albanische, die die Protagonistin fasziniert, ihr jedoch zu verstehen schwerfällt und die sie nur in einer konservierten, veralteten Form sprechen kann. Die Sprache ist verknüpft mit ihrer Geschichte, mit dem Kosovo-Krieg, den sie selbst nur aus der Ferne in Deutschland erlebt hat, der ihr aber in jedem Knochen ihres Körpers steckt. So beschäftigt sich die Protagonistin im Laufe des Romans immer mehr mit dem Krieg und den Verbrechen, die dort passiert sind, vielleicht auch, um endlich nicht mehr die Zähne zusammenbeißen zu müssen. Der Debütroman von Kicaj ist sehr reduziert und beschäftigt sich auf einer intellektuellen Ebene mit dem Thema Krieg. In verschiedenen Zeitebenen erinnert sich die Protagonistin an ihre Kindheit, an Besuche im Kosovo oder besucht Vorlesungen zu forensischer Anthropologie. Das Buch ist an manchen Stellen etwas belehrend, aber das ist vielleicht auch gewünscht, um die Ignoranz der vermutlich mehrheitlich unwissenden Leser:innenschaft aufzuzeigen. Kicaj hat mit diesem Buch ihre Stimme gefunden, die Wörter zermalmt und zum Glück aber in einer sehr schönen Form wieder ausspuckt.
Nike
Jehona Kicaj: ë. 176 Seiten. Wallstein, Göttingen 2025 EUR 22,70
