A conscious mind

Die Geschichte der Protagonistin in Roman Nr. 2 der US-Amerikanerin Jenny Offill ist eine der klassischen: Die Feuerprobe einer Ehe zwischen Frau und Mann. So weit, so simpel. Die erste Auffälligkeit des Buches ist visueller Art. Der Text ist in kurze und noch kürzere Absätze gegliedert. Die fragmentarischen und trotzdem in sich ruhenden Textsplitter wirken wie kurz vom blendend hellen Lichtkegel eines Autos erfasste Szenen in der Dunkelheit. Und genau wie im Film dient diese kurze Erhellung des Dunkels (zu kurz und kontextlos, um die Szene, die sich darbietet, verstehen oder einordnen zu können und lang genug, um Fragen, Mutmaßungen! aufzuwerfen und die Zuseherin zu verwirren) dem Spannungsbogen. Da wir uns im überwiegenden Teil des Buches im Kopf der namenlosen Ich-Erzählerin (Autorin, Unilehrende, Mutter, Ehefrau) befinden, wird das oben erwähnte Hauptthema nicht geradlinig entrollt, sondern den Eigenheiten des menschlichen Denkens entsprechend unfokussiert, netzartig, von einem zum anderen hüpfend, aber nicht unbedingt zusammenhanglos. Neben stream-of-consciousness-Erzählelementen finden sich Zitate, Sprichwörter und Anekdoten aus Literatur, Philosophie und Naturwissenschaften, wie Saugnäpfe unter den Füßen der Frau, um sie in der Realität zu halten – quasi am Boden der Tatsachen. Erfolgreich. Sara Riedmann

Jenny Offill: Amt für Mutmaßungen. Roman. Übersetzt von Melanie Walz. 176 Seiten, Deutsche Verlags-Anstalt, München 2014 UR 18,50