Auf dem Weg zur Bestseller-Autorin

Li. Tote Mädchen machen keinen Sex ist der erste feministische Kriminalroman von der 1968 geborenen Autorin Isabella Maria Kern. 2016 ist ihr Buch im deutschsprachigen Buchhandel erstmals erschienen. Ein Buch, das neben gutem Unterhaltungswert mit dem Thema Zwangsprostitution minderjähriger Mädchen zum Nach- und Umdenken anregt. Eine Rezension von diesem Kriminalroman findet ihr auch in der vorliegenden Ausgabe. Das Interview über das Buch und den Neuzugang in die Welt der Autorinnen führte für den WeiberDiwan unsere Redakteurin Veronika Reininger mit der Autorin Isabella Maria Kern:

WeiberDiwan: Wann hast du angefangen zu schreiben und was inspiriert dich beim Schreiben?

Isabella Maria Kern: 2007 habe ich spontan zu Schreiben angefangen. Seit 2000 bin ich Alleinerzieherin von drei Kindern, und nachdem ich die Firma meiner Eltern nicht übernehmen wollte und einen sozialen Beruf ausüben wollte, habe ich mit 34 Jahren als Krankenschwester angefangen. Die Krankenpflege inspiriert mich für meine Geschichten. Ich lerne dabei sehr viel über die Menschen und deren Gefühlswelt kennen.

Wie verbindest du das Schreiben mit deinem Broterwerb als Krankenschwester?

Diese Geschichte hat sich mit dem Schreiben entwickelt. Als Krankenschwester arbeite ich zu 60 Prozent, also auf Teilzeit, somit bleibt mir mehr Zeit, um zu schreiben. Ich schreibe, wenn ich Lust habe, abends, oder ich fahre ein paar Tage weg.

Was hat dich konkret motiviert, zum Thema Sexarbeit bzw. Zwangsprostitution zu schreiben?

Nachdem ich zufällig eine Fernsehdokumentation über Zwangsprostitution minderjähriger Mädchen in Asien und Russland gesehen habe, hat mich das sehr betroffen gemacht. Auch in meinen Bekannten- und FreundInnenkreisen habe ich darüber geredet und gemerkt, wie wenig Empathie die Leute für diese betroffenen Mädchen zeigen, weil sie der Meinung sind, die Mädchen seien selber schuld. Das hat mich dazu motiviert, über die Problematik der Zwangsprostitution zu schreiben. Mit „Li.“ möchte ich versuchen, die Vorurteile der Mitmenschen abzubauen.

Und auf welchen Recherchen baut die inhaltliche Thematik auf?

Eigentlich habe ich ausschließlich online recherchiert und in diversen Internet-Foren die Kommunikation verfolgt. Jedoch vergangenen Dezember (2016) habe ich eine Bordellbesitzerin in der Schweiz kennengelernt, die aus Existenzsicherheitsgründen in die Prostitution gegangen ist. Nachdem sie mein Buch gelesen hatte, hat sie mir bestätigt, dass es sich im realen Leben der Prostituierten tatsächlich so abspielt, die Gewalttaten und Einschüchterungen von Zuhältern, und ein Ausstieg aus dem Gewerbe sehr schwierig ist.

Sind die Romanfiguren frei erfunden oder gibt es Ähnlichkeiten zu realen Personen?

Die Romanfiguren sind frei erfunden, aber im Leben habe ich natürlich viele verschiedene Menschen und ihre Charaktere kennengelernt, die ich beim Schreiben einfließen lasse, kombiniert mit meiner Phantasie. Das Buch enthält keine persönlichen Erlebnisse oder auto-biografischen Züge.

Wenn du deine Romanfiguren beschreibst, beziehst du dich auf die Zuschreibung klassischer biologischer Geschlechterrollen oder werden die Rollen mehr aus der Perspektive des Queerfeminismus dargestellt?

Bisher habe ich noch nicht aus dieser Perspektive die Rollenzuschreibungen bewusst konkretisiert. Aber das könnte ein guter Ansatz für meine zukünftigen Buchprojekte sein

Ist Feminismus für dich ein wichtiges Thema, nachdem du in einem stark frauendominierten Berufsfeld arbeitest und auch als Autorin inhaltlich Themen bearbeitest, die eine feministische Sicht ermöglichen?


Sicherlich hat sich schon viel getan in den letzten Jahren. Ich komme vom Land, aus Oberösterreich, und wenn ich bedenke, die Frauen hatten am Land bis in die 1970er Jahre nicht wirklich etwas zu sagen gehabt. Wenn der Mann vom Wirtshaus heimgekommen ist und das Essen noch nicht am Tisch gestanden ist, dann war das ganz schlimm. Das Zusammenleben der Frauen und Männer hat sich heute sicher schon gebessert, weil der Feminismus ein ganz wichtiger Teil in unserem Leben ist und dazu beigetragen hat. Ich hoffe, dass ich mit meinen Themen auch viele Leserinnen und Leser feministisch sensibilisieren kann, und das Buch „Li.“ soll auch zum Schutz der Frauen sein.

Zum Buchinhalt: War von Anfang an für dich klar, wie die Geschichte ausgehen soll?


Eigentlich hat sich die Geschichte im Laufe des Schreibens entwickelt, also der Roman ist mit dem Schreiben gewachsen und nach und nach ist eine weitere Romanfigur dazu gekommen.

Und warum musste Li in deinem Roman sterben?

Eigentlich ist Li nur deswegen gestorben, weil sie sich geopfert hat, damit auch den anderen Sexarbeiterinnen geholfen werden konnte, aus der Zwangsprostitution auszusteigen. Beispielsweise konnte auch die Romanfigur Bea erfolgreich aus der Prostitution aussteigen. Der Bordellbesitzerin aus der Schweiz hat der beschriebene Charakter der Bea besonders gut gefallen, wie sie sich in ihrer neuen Freiheit fühlt und wie sie mit ihren Ängsten vor einem neuen Lebensabschnitt umgeht.

Welche Reaktionen hast du von deinen LeserInnen auf dein Buch erhalten?

Die LeserInnen waren sehr erfreut. Sie haben durchwegs positiv rückgemeldet, sowohl Frauen wie auch Männer. Mit dem Buch konnte ich das Thema Zwangsprostitution gut aufgreifen und die LeserInnen erfolgreich darüber informieren.

Du hast den Roman als paranormalen Thriller geschrieben. Was bedeutet das?

In meinem Beruf als Krankenschwester habe ich schon viele Menschen sterben gesehen. Aber wenn der Mensch körperlich tot ist, glaube ich dennoch daran, dass da etwas von dem verstorbenen Menschen weiterlebt. So, wie zum Beispiel die Stimme der Hauptromanfigur Li im Ohr weiterhin zu hören ist.

Wird es eine Fortsetzung dieses Romans geben?

Eine Fortsetzung wird es nicht geben, weil der Roman in sich abgeschlossen ist. Aber ich würde diesen Roman gerne verfilmen lassen. Zumindest schreibe ich schon an dem Drehbuch.

Im Frühjahr 2017 kommt dein nächster Roman heraus: Welches Thema wird er haben?

Mein zweiter Roman heißt „In den Schuhen der anderen“ und handelt von einer irrealen Geschichte. Eine Frau, die mit ihrer besonderen Begabung die Schuhe anderer Frauen anzieht, um so in deren Frauenkörper zu schlüpfen. Auf der Suche nach der Liebe versucht sie so auch über ihre geringen Selbstwertgefühle hinwegzukommen…

Derzeit schreibe ich an meinem fünften Roman. Die nächste Veröffentlichung handelt von der Geschichte einer alten Roma-Frau… Sie erzählt einer jüngeren Frau ihre Lebensgeschichte, wie sie aus ihrem Dorf vor ihrem gewalttätigen Ehemann geflohen ist. Auch in diesem Roman behandle ich feministische Themen: männliche Gewalt an Frauen, Frausein im Alter und die Stärke dieser Frauen in ihrem Leben.

Würdest du langfristig g sehen gerne alleine vom Schreiben leben wollen?

Den Pflegeberuf habe ich jetzt zwölf Jahre gemacht, also als mein jüngster Sohn vier Jahre alt war, habe ich angefangen. Es wäre schon mein großer Wunsch, in Zukunft zur Gänze vom Schreiben leben zu können.

Würdest du auch gerne einen Krimi über das Umfeld im Krankenpflegebereich schreiben?

Ja, und was ich bereits dazu im Kopf habe, ist, einen Krimi in der Reha-Klinik – mit sechs extrem unterschiedlichen Persönlichkeiten an einem Tisch – zu schreiben.

Ein weiteres Projekt ist die Geschichte einer intersexuell geborenen Frau, die mir persönlich sehr am Herzen liegt. Ich möchte gerne auch zu diesem Thema schreiben, um die Leserinnen und Leser mehr und besser für Intersexuelle zu sensibilisieren.

Welche Art von Leserinnen und Leser wünschst du dir?

An sich viele Menschen. Ich möchte mit meinen Büchern alle ansprechen, um Vorurteile abzubauen, zum Nachdenken anzuregen und zu sensibilisieren.

Vielen Dank für das Interview. Wir können also erfreut auf weitere feministische Bücher und auf die Verfilmung zum Buch „Li“ warten.

Isabella Maria Kern: Li. Tote Mädchen machen keinen Sex. 352 Seiten, Iatros Verlag, Sonnefeld 2016 16,00 EUR