Briefwechselzwischen Freundinnen

Der von der Literaturwissenschaftlerin Ursula Ludz und der Soziologin Ingeborg Nordmann edierte Band besteht aus einer Samm¬lung unterschiedlicher Brief-Korrespondenzen, die Hannah Arendt zeit ihres Lebens gepflegt hat. Jeder literarischen Freundinnenschaft geht eine Kurzbiografie der Protagonistin und eine kurze Geschichte des Beziehungsfortgangs voraus. Dieser Überblick zeichnet ein dynamisches Bild von Freundinnenschaft mit näheren und distanzierteren Phasen. Dies macht eine besondere Qualität aus, weil darin die Persönlichkeitsentwicklung als Parameter für jede einzelne Beziehung ersichtlich wird. Der Titel führt leicht in die Irre, die meisten Texte sind an Hannah Arendt adressiert, nur wenige im Buch wiedergegebene Briefe stammen von ihr. Das Buch liest sich wie illustrierte Zeitgeschichte. Die Analysen der Geschehnisse sind bei aller stilistischen Vielfalt in einem gut lesbaren Konversationston gehalten. Es handelt sich ja um persönliche Briefe, umrankt von persönlichen Ein-sprengseln über Reisen, Begegnungen usw. Bei großen Übereinstimmungen mit heutigen Lebensstilen zeigen sich doch manche Unterschiede, wie z. B. eine offenbar größere Zeitverfügbarkeit, auch zum Entwickeln von Gedanken und Theorien. Die Leserin erfährt zudem über die politischen und sozialen Entwicklungen nach dem 2. Weltkrieg, und ein großer Teil des Reizes eines solchen historischen, nicht-akademischen Zugangs liegt in einer gewissen Ungefiltertheit der beschriebenen Eindrücke.
Susa

Hannah Arendt. „Wie ich einmal ohne Dich leben soll, mag ich mir nicht vorstellen.“ Briefwechsel mit den Freundinnen Charlotte Beradt, Rose Feitelson, Hilde Fränkel, Anne Weil und Helen Wolff. Hg. von Ursula Ludz und Ingeborg Nordmann. 688 Seiten, Piper, München-Berlin- Zürich 2017 EUR 39,10