Schreibgenerationen und das Erzähl-Ich

Um das Subjekt in der Spätmoderne macht sich Marlene Streeruwitz in ihren Paderborner Poetik-Vorlesungen Gedanken, und im Zuge dessen geht es auch um das literarische Subjekt. Ihre Überlegungen starten mit Recherchen zu Organtransplantationen, der Judikatur dazu, eine Kritik am Zugriff der Me-dizin, die Körper zwischen Leben und Tod als Materiallager verstehen. Was wäre, wenn die/der Sterbende die Explantation ihrer/seiner Organe aus einem entfernten, sich soeben verabschiedenden Winkel des Bewusstseins noch erleben könnte? Die lebendige Leiblichkeit als Ware, beim Menschen mutet dies zynisch an, was doch täglich massenhaft mit Tierleibern praktiziert wird. Die Autorin verbindet ihre Gedanken mit dem Entwerfen literarischer Figuren, bei denen es auch darum geht, dass man diese sprechen hören kann, nicht „durch Sprache ersetzt zu finden. Und nicht von anderen gesprochen unmündig gemacht.“ Die Themenkreise erweitern sich über Machtreflexionen, christlich-patriarchale Narrative, Konstruktion von Realitäten oder Fake News und Märchen. In ihrem charakteristischen Tonfall, rhythmisiert und eindringlich.
Susa

Marlene Streeruwitz: Das Wundersame in der Unwirtlichkeit. Neue Vorlesungen. 128 Seiten, S. Fischer Frankfurt/M. 2017 EUR 16,50