Das eigene Leben nicht delegieren
Luisa Muraro, geb. 1940, prominente Differenzphilosophin („Die symbolische Ordnung der Mutter“), arbeitete an der Universität von Verona, ist Mitgründerin der Philosophinnengemeinschaft Diotima und des Mailänder Frauenbuchladens („Wie weibliche Freiheit entsteht“). In dem Interview wird die Verwobenheit von Biografie, politischem Engagement und Theoriebildung zum Ausdruck gebracht. „1968… da hatten junge Leute die Welt in ihr Herz gelassen. [ …Doch] die Sprache und der Stil der Revolte waren typisch für das Miteinander von Männern.“ Die Politik der Frauenbewegung bestand nicht im Kampf um die Mitte der Bühne, sondern im Verlassen dieser und es brauchte eine Sprache für eine völlig neue Erfahrung, eine andere symbolische Ordnung. Wenn das, was Realität heißt, nur die herrschende Vorstellung davon darstellt, ein System eingefahrener Denkmuster und vorgefertigter Mittel, dann kann man sich daraus auch desintegrieren. Statt einer Politik der Repräsentation, der Macht, des Geldes, der Waffen, des Gesetzes geht es um eine politische Praxis des Von-sich-selbst-Ausgehens, der nicht-instrumentellen Beziehungen, eine nicht-normative Vermittlung und für Frauen vor allem ums Sprechen-lernen. Für Muraro ist die westliche Moderne eine Zerstörungs- und der Staatsfeminismus eine Angleichungsmaschine. Die Lektüre ist interessant für Menschen, die von etwas anderem als Gendertheory hören wollen und eine gute Einführung in die komplexe Materie der symbolischen Ordnung für das Denken einer Differenz, die für Frauen Freiheit offen hält. Birge Krondorfer
Luisa Muraro: Nicht alles lässt sich lehren. Aus dem Ital. von Traudel Sattler. 155 Seiten, Christel Göttert Verlag, Rüsselsheim 2015 EUR 17,50