Das Große im Kleinen

Demente Großmutter, ungarische Pflegerin, kiffender Enkel – drei Menschenschicksale treffen aufeinander, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Elvira ist hochbetagt und lebt mit wechselnden 24-Stunden-Betreuerinnen in einem kleinen gelben Haus in der Provinz. Sie war einst Schauspielerin und hat ihren unehelichen Sohn allein großgezogen, der es zu etwas gebracht hat. Marika ist in ihren besten Jahren und hat schon einiges durchgemacht. Jonathan ist 16 und wird nach einem Unfall infolge von Drogenkonsum von seinen Eltern für ein paar Wochen zu seiner Oma und in seine Kindheit quasi strafversetzt. Doch durch vielschichtige zwischenmenschliche Begegnungen sind sie miteinander durch die Facetten des Lebens verbunden. Sophie Reyer erzählt ihre gemeinsame Geschichte als aufmerksame und einfühlsame Beobachterin anschaulich und berührend. Besonders wirkungsvoll ist der Wechsel der Erzählperspektiven eingesetzt, wodurch sich durch die Innensicht der Figuren und die Außensicht aufeinander ein ganzheitliches Bild ergibt. Wie in einem Kammerspiel fügt die Autorin auch viele Dialoge in den Text ein, was ihm eine direkte Lebendigkeit verleiht. „Gartentage“ ist ein Roman für alle Generationen, der sich Tabuthemen wie Demenz, Migration und jugendlichem Drogenmissbrauch auf charmante Art und Weise nähert.
Cornelia Axmann
Sophie Reyer: Gartentage. 208 Seiten, Edition Keiper, Graz 2022 EUR 22,00