Die Nacht an den Tag
Als dritter Band der vierteiligen Werkausgabe der bedeutsamen Kärntner Dichterin sind nun überwiegend unveröffentlichte Gedichte aus deren Nachlass erschienen. Die 484 Gedichte stammen aus allen Schaffensperioden und beginnen mit dem erst kürzlich wieder entdeckten Erstlingswerk „Die Nacht an den Tag“ aus dem Jahre 1948. Ein umfangreicher Anhang informiert über die Auswahl der Gedichte und die Beziehungen Lavants zu den Personen, denen sie Gedichte schenkte. Sichtbar wird dabei die komplexe, durch schwierige Le‑bensumstände geformte Persönlichkeit der Dichterin, aber auch interessante Facetten der österreichischen Litera‑ turgeschichte der Nachkriegszeit wie die problematische Nähe der Dichterin zu ausgewiesenen Rechtsextremen, wie dem Psychiater Otto Scrinzi. Ihre Lebensgeschichte ist in vielen Bereichen typisch mit vielen Frauen der Fünfzigerjahre, nicht nur im Privaten, sondern auch, was ihre Förderung als Schriftstellerin und die Veröffentlichungspraxis durch aus‑ schließlich männliche Protagonisten des Kulturbetriebs betraf. In einem Nachwort wird die Rezeptionsgeschichte von Lavants Gedichten – die „die Suche nach dem Weg, den das Ich als leidender und liebender Mensch im Größten, dem Kosmischen, wie im Kleinsten, dem Irdischen, dem Inneren“ zum Thema haben, dargestellt. Der mit großer Sorgfalt und wissenschaftlicher Sachlichkeit editierte Band ist für Lavant-Fans und LyrikliebhaberInnen, die sich vertieft mit ihrem Werk auseinandersetzen wollen, sicherlich ein Muss. Sabine Reifenauer
Christine Lavant: Gedichte aus dem Nachlass. Hg. von Doris Moser und Fabjan Hafner, unter Mitarbeit von Brigitte Strasser. 654 Seiten, Wallstein, Göttingen 2017 EUR 38,80