Die Wand im Rücken: eine Überwindung

 Aufbrechen, hinter ihnen verschwinden, mit dem Kopf dagegen rennen, oder sie gar niederreißen: dafür sind Wände gemacht. Quer durch die Künste vom Schreiben zum Tanzen, von der Performance bis zur Street-Art haben sich Künstlerinnen mit der Wand als Möglichkeit und Begrenzung zugleich auf vielfältige und subversive Weise auseinandergesetzt. In Marlen Haushofers Roman Die Wand zeigt selbige als unsichtbare Trennlinie der Nachkriegsfrauengeneration ihre limitierten gesellschaftlichen Möglichkeiten auf. Birgit Jürgenssen, zur adretten Hausfrau hinter einer gläsernen Wand stilisiert, verdeutlichte mit ihrem Selbstportrait Ich möchte hier raus! 1976 einmal mehr, wie Frauen, trotz zweiter Frauenbewegung und dem Erstarken einer Künstlerinnengeneration quer durch alle Gattungen, weiter um die Selbstverständlichkeit als kreativ Arbeitende kämpfen mussten. Mit Gegen die Wand liegt nun ein beeindruckender und hochspannender Sammelband über genreübergreifende Unnachgiebigkeiten von Künstlerinnen vor. Fragen nach dem zu erobernden Raum, das Finden der eigenen Position als Kunsterzeugerin und vieles mehr werden von den Autorinnen akribisch unter die Lupe genommen. Ein wunderbares Buch, das Geschichte und Gegenwart von weiblichem Kunstschaffen scheinbar mühelos in Einklang bringt.
Elisabeth Streit
Gegen die Wand. Subversive Positionierungen von Autorinnen und Künstlerinnen. Hg. von Julia Freytag, Astrid Hackel und Alexandra Tacke. 344 Seiten, Neofelis, Berlin 2021 EUR 28,80