Ein starkes Über-Ich
Mit dem neuen Roman von Sarah Moss setzt sich die Geschichte über die mittlerweile praktizierende Ärztin Ally in Cornwall im späten 19. Jahrhundert fort. Sie ist verheiratet und schon bald macht sich ihr Ehemann Tom auf den Weg nach Japan, um für einen Geschäftsmann Manufakturbetriebe zu besuchen und Seidenstoffe zu kaufen, die dort produziert werden. Ally arbeitet in der Zwischenzeit in einem Irrenhaus, und verzweifelt an den dortigen Missständen, denn bedingt durch die rüde Behandlung der Kranken durch das Personal kommt es immer wieder zu Übergriffen, und sie steht zwischen den Fronten. Als ihre strenge Mutter von ihr erwartet, nach Falmouth zurückzukehren, um dort in den Armenhäusern Menschen zu behandeln, ist sie rasch dazu bereit, um dem tristen Alleinsein und den frustrierenden Arbeitserlebnissen zu entkommen. Die Rückkehr ins Elternhaus verschafft ihr jedoch eine tiefe Depression bedingt durch die scharfen asketischen Vorhaltungen der Mutter. Zeitgleich leidet sie weiterhin unter dem Freitod ihrer Schwester May. Sie flieht zu ihrer Tante Mary und kann sich dort stabilisieren. Schließlich fängt sie an, neue Pläne zu schmieden, um ihre Lebensmüdigkeit zu überwinden. Das Ende möchte die Rezensentin nicht vorwegnehmen, obwohl dieses bereits im Prolog angedeutet ist. Ein durchaus interessantes Sittenbild seiner Zeit, zumal es auch Eindrücke über das Leben in Japan vermittelt und, ohne den ersten Roman zu kennen, lesenswert ist. ML
Sarah Moss: Zwischen den Meeren. Aus dem Engl. von Nicole Seifert. 410 Seiten, Mare Verlag, Hamburg 2016 EUR 24,90