Eine gleichberechtigte Frau!

Die von der schwedischen Autorin und Bühnenbildnerin Gunilla Palmstierna-Weiss 2013 veröffentlichten Lebenserinnerungen wurden nun von ihr für die erste deutsche Ausgabe überarbeitet. Einflussreiche schwedische Vorfahren ermöglichen der 1928 geborenen Künstlerin ein frühes, bildungsorientiertes Interesse in einer unwirtlichen Zeit. 1949 lernt sie den während des Nationalsozialismus nach Schweden emigrierten jüdischen Maler und Schriftsteller Peter Weiss kennen. Auch wenn die Autorin auf Krisen innerhalb dieser Liebesbeziehung verweist, dauert die Beziehung bis zum frühen Tod von Peter Weiss 1982 an. Die gegenseitige künstlerische Inspiration durch gemeinsame Reisen nach Auschwitz, nach Vietnam und längere Aufenthalte in Berlin sind ein wesentlicher Faktor für ihre kulturelle Kreativität. Die bühnenbildnerische Karriere von Gunilla Palmstierna-Weiss ist eine ungewöhnliche, da es in der Zeit des politischen Aufbegehrens (Stichwort Studentenrevolte) für Frauen noch eine Seltenheit darstellt, Bühnenbildnerin an größeren Theatern wie dem Dramaten in Stockholm zu sein. Ihre Autobiografie weist darauf hin, dass die emanzipatorischen Entfaltungsmöglichkeiten für Frauen in Schweden im Vergleich zur Bundesrepublik Deutschland bereits wesentlich weiter fortgeschritten waren. Die Stärke der Gedanken der Autorin liegt darin, dass es in ihrer Aufarbeitung weniger um den bekannten politischen Autor Peter Weiss geht als um ihr eigenes willensstarkes emanzipatorisches Durchsetzungsvermögen, wenn sie mit den unterschiedlichsten Regisseuren die Verwirklichung ihrer Bühnenbilder verhandelt.
ML
Gunilla Palmstierna-Weiss: Eine europäische Frau. Aus dem Schwed. von Jana Hallberg. 600 Seiten, Verbrecher Verlag, Berlin 2022 EUR 40,10