Eine unsichtbare Insel – ein Niemandsland!

Travniceks neuer Roman ist ein modernes Großstadtmärchen. Es geht um Straßenkinder, deren Angehörige sie an Menschenhändler verkauft haben, weil sie sich selbst in einer desolaten prekären Lebenssituation befinden. Feenstaub ist die Droge, die die Kinder brauchen, um ihr hartes Los zu ertragen, um fliegen zu können. Sie arbeiten als Taschendiebe für den kriminellen Krakadzil, der den Großteil ihrer Beute für sich einbehält. Sie dürfen nicht wachsen, denn dann sind sie als Diebe untauglich, dann werden sie getötet. Eines Tages lernt Pedru, aus dessen kindlicher Perspektive die Geschichte erzählt wird, Marja und ihre Familie kennen, die ihm beweisen, dass es noch ein anderes Leben gibt neben dem eigenen, ungebildet zu sein, ausgebeutet und seiner Freiheit beraubt zu werden. Travnicek fädelt die Geschichte so ein, dass man anfangs irritiert ist, da man sich mitten in einer Geschichte wiederfindet, die sich nach und nach erst lichtet. Travnicek schafft es, die Härten des Lebens ohne Sentimentalität zu charakterisieren. Eine ausdrucksstarke Geschichte, die das Erwachsenwerden obdachloser Kinder in der Fremde thematisiert und wie hoffnungslos und schwierig es für diese ist, ein gutes Leben für sich zu beanspruchen. Eine interessante literarische Stimme!

ML

Cornelia Travnicek: Feenstaub. 278 Seiten, Picus, Wien 2020, EUR 22,00