Felix Austria
Aus Stanislau, einer Kleinstadt am Rande der Österreichisch-Ungarischen Monarchie, das heute in der Ukraine liegt, berichtet Stefanija Tschornenko, genannt Stefa, von den sich ändernden Zeiten. Da braust ein Auto mit 15 km/h durch die Hauptstraße, am Bahnhof gibt es elektrisches Licht und noch ganz andere wunderliche Dinge passieren. Wir schreiben 1900. Genauer gesagt den 9. Jänner 1900. Hier beginnt der Roman von Sofia Andruchowytsch und hier beginnt Stefa zu erzählen. In tagebuchartigen Kapiteln erzählt sie mal ganz gewieft und schlau, manchmal etwas naiv von ihrem Leben und den Veränderungen in Stanislau. Im Mittelpunkt steht ihre Beziehung zu Adelja, deren Dienstmädchen sie ist, und deren Mann Petro, einem Bildhauer. Eine Beziehung, die zwischen intimer Freundschaft und Abhängigkeit wechselt. Eines Tages finden sie in der Werkstatt des Bildhauers einen schlafenden Jungen, zusammengefaltet wie ein Stück Papier. Felix, der Papierjunge, der der deutschen Übersetzung des Romans von Sofia Andruchowytsch den Titel gibt, sorgt für ein reichliches Durcheinander. Der Wandel beginnt, für Stefa und im übertragenen Sinn wohl auch für Felix Austria – so der Titel der ukrainischen Originalausgabe. Jenny Unger
Sofia Andruchowytsch: Der Papierjunge. Aus dem Ukrain. von Maria Weissenböck. 312 Seiten, Residenz Verlag, Wien 2016 EUR 22,90