Fliehen vor der Aussicht auf Liebe
Deborah Levys – oft männliche – Figuren sind einsam und manchmal auch ein wenig seltsam, wobei das selten so offensichtlich wird wie bei dem Mann, der einen Höcker zwischen den Schulterblättern trägt. Sie suchen nach Liebe und stoßen dabei auf Abgründe und hohe Wände. Sie können zwar auf die andere Seite blicken, aber sie nicht wirklich erreichen. Sie sprechen alle möglichen europäischen Sprachen und bewegen sich zwischen Rom, London, Prag oder Wien. Pavel ist in der Tschechoslowakei geboren, seine Freundin in Jamaica. Pavel hat in Dublin eine Affäre, seine Freundin trägt die gleichen schottischen Tanzschuhe wie der Franzose, der in der Londoner Buchhandlung arbeitet. Cass möchte eine Geschlechtsumwandlung vornehmen lassen – nicht, um ein Mann zu werden, sondern, weil sie eine andere Art von Frau sein will, unbeschwert und cool: eine Pseudofrau. Nikos hingegen ist mit so großer Empathie ausgestattet, dass er stellvertretend für seinen Chef dessen Kindheitstraumata durchleidet. Es geht darum heraus zu finden, wer wir sind, wenn wir uns an ständig wechselnden Orten bewegen. Können wir uns eine neue Identität kreieren oder stecken wir fest in der alten? Wie gelingt es, auf der Suche nach Liebe nicht zu straucheln? Debora Levys Geschichten nehmen die Leser*in mit auf eine geheimnisvolle Reise, die uns die inneren dunklen Seiten entdecken lässt und uns zärtlich berührt in unserem Streben nach Glück. Subtil erzählt und bisweilen von klarer, poetischer Schönheit: „Dich zu küssen ist wie neue Farbe und alter Schmerz. – Kissing you is like new paint and old pain.“ vab
Deborah Levy: Black Vodka. Zehn Kurzgeschichten. Übersetzt von Barbara Schaden. Mit einem Vorwort von Michèle Roberts. 122 Seiten, Wagenbach, Berlin 2014 EUR 17,40