Geschlecht dekonstruiert therapieren
Die Diskurse der Frauenbewegung und der Gender-Studies mit ihren hochdifferenzierten Theorien des Doing Gender, ihren sozialkonstruktivistischen Modellen und dekonstruktivistischen Perspektiven haben in der psychotherapeutischen Theoriebildung bis jetzt keinen Niederschlag gefunden – auch und gerade in der theoretischen Konzeption und Praxis der systemischen Psychotherapie. Grubner greift nun endlich diese Schwachstelle auf und fundiert ihre Konzeption einer gender-dekonstruktivistischen narrativen systemischen Psychotherapie gesellschaftspolitisch. Psychotherapie findet nicht im luftleeren Raum statt, sondern in neoliberalen Machtverhältnissen, die das Subjekt zu immer mehr (auch psychisch-mentaler) Selbstoptimierung anweisen, um sich in der Leistungsgesellschaft erfolgreich zu positionieren. Damit diese nicht nur zum „Reparaturbetrieb“ wird – insbesondere für Frauen als Hauptklientel der Psychotherapie – ist es notwendig, die systemische Therapie um ein alternatives Denkmodell zu erweitern. Mit Butler, die in der systemischen Therapie bislang ignoriert wurde, erweitert Grubner den narrativen Ansatz. Zentrales Augenmerk wird dabei auf die Verschränkung von Sprache und Geschlecht gerichtet. Über äußerst spannende „Theoriegeschichten“ konzipiert Grubner so ein „offenes Gender“ als narrative Haltung im psychotherapeutischen Dialog. Der hochinteressante und wichtige Band ist für ein theorieinteressiertes Fachpublikum besonders geeignet. Susanne Schweiger
Angelika Grubner: Geschlecht therapieren. Andere Erzählungen im Kontext narrativer systemischer Therapie. Mit einem Geleitwort von Brigitte Schigl. 194 Seiten, Carl-Auer Verlag, Heidelberg 2014 EUR 20,60