Ich, du, sie

Eos, die Ich-Erzählerin, hat sich mit Anfang 40 vor Jahren auf Naxos irgendwie zweigeteilt: in die Galerie-Eos, mit Job, Mann und renoviertem Steinhaus im Waldviertel, und in die Künstlerin-Eos, prekär lebend, verliebt in Valentina, deren Eltern von der argentinischen Militärjunta ermordet wurden. Ein gemeinsam geplantes Projekt im Rahmen eines Kunststipendiums im Turmstädtchen wird von Valentina kurzfristig abgesagt, und Eos erleidet einen Zusammenbruch in der Nische zwischen den Neorenaissancefassaden des Stipendiumstädtchens. Außerdem ist Eos auf der Suche nach ihren Ideen und Texten, die damals auf Naxos geklaut wurden, wie es scheint von dem ominösen Kunstlabel Grapefruits. Auch die Galerie-Eos kann Ideenklau nicht hinnehmen: Sie zerstört die Werke ihres Lovers Rudolf alias Chucho, des gefeierten Künstlerstars – er hatte sich Bilder von mexikanischen Straßenkünstler:innen angeeignet und als die eigenen ausgegeben. Das neue Buch von Isabella Breier ist wunderbar vielschichtig und anregend verwirrend. Es geht nicht nur um die Frage kollektiver Rechte an künstlerischen Ideen, es geht auch um Erinnerungen, Entscheidungen, über Träume schreiben, diese Notizbücher dann des Nachts aus dem Fenster zu werfen und von zwei speziellen Kolibris ins Meer fliegen zu lassen, und einzuatmen und das Leben zu wagen. Empfehlung!

Gabriele Mraz

Isabella Breier: Grapefruits oder Vom großen Ganzen. Eine Groteske. 468 Seiten, Edition fabrik.transit, Wien 2022 EUR 24,00