Nach dem Sturm

Die beiden Deutschen Jens und Iwo sind Söldner in einem ukrainischen Krieg in einer nicht genau definierten Gegenwart. Es könnte auch die nahe Zukunft sein. Nachdem ihr Mitstreiter Andrij erschossen wird, hören die beiden auf zu kämpfen und begeben sich gemeinsam mit Andrijs Verlobter Tanja und dem Poeten Vitalij auf eine Trauer-Wallfahrt Richtung Krim, zum Meer. Die Reise führt in meist traumhaften Sequenzen durch ein verwüstetes, verschneites Land. Dörfer und Städte sind gebrandschatzt und verlassen, die Supermärkte geplündert. Es herrscht Endzeitstimmung. Zu Kampfhandlungen kommt es nicht mehr. Die Schrecken des Krieges zeigen sich in grauenvollen Funden am Rand der Erzählung. In einem Haus liegen drei nackte, geschändete Frauenleichen, von einem Balkon baumeln fünf Gehenkte. Um nicht zu erfrieren, flüchtet sich die Pilgertruppe immer wieder in verlassene Häuser und erinnert sich: Vitalij erzählt von seinem Vater, der als Wehrmachtssoldat die Ukraine überfallen hatte, und liest aus alten Flohmarkt-Briefen vor, in denen von Judenerschießungen im 2. Weltkrieg berichtet wird. Dazu summt er „Every breath you take“ von Police – eine von vielen popkulturellen Einsprengseln des Romans. Mitunter wirken die „vier Leute in loser Verteilung“ wie in einem düsteren Dämmerschlaf, der die Zeiten durcheinanderbringt. Doch die Gegenwart holt sie immer wieder ein.

Ute Fuith

Evelyn Schlag: In den Kriegen. 244 Seiten, Hollitzer Verlag, Wien 2022. EUR 22,00