Keine Heldinnen
Schicksale von Menschen in einer Umbruchzeit, die „Fleischwolf-Zeit“ in der damaligen Sowjetunion, heutigen Ukraine. Vier Frauen, Mütter und Töchter stehen im Zentrum. Lena, Hauptperson im ersten Teil, tritt der Leserin am nächsten – in Fragmenten wird von ihrer Beziehung zur Großmutter mit den Haselnussbäumen erzählt, bei der sie als Mädchen die Ferien verbringt, von den Fahrten ins Jugendlager der Pioniere, der Freundinnenschaft oder ersten Liebe mit Aljuna, von ihrer strengen Mutter, die zu früh stirbt – wegen der falschen Behandlung, wie Lena meint, und obwohl der Vater die korrupte Ärztin gut bezahlt, von Lenas Weg zum Medizinstudium, nach Schmiergeldzahlungen und im zweiten Anlauf. Von ihrer Liebe zu einem tschetschenischen Mann, die es nicht geben darf. Aber sie wird doch davon schwanger. Der zweite Teil spielt in Deutschland. Lena ist mit ihrer eher zufällig entstandenen Kleinfamilie geflüchtet, später, als es im Donbas zu unruhig geworden ist, holt sie auch den Vater nach. Lenas Tochter Edi, mittlerweile erwachsen, lebt in Berlin und nicht in Jena wie ihre Eltern, aber auch sie, als Teil der ganzen Mischpoche, trägt an der ganzen Geschichte und allen Zerrüttungen. Die Menschen wirken hineingeworfen in Umstände, die sie nicht beeinflussen können, und doch berühren sie einander. Ihre Beziehungen sind geprägt von Entfremdungen und dem Ringen, einander wieder näher zu kommen oder zumindest zu verstehen. Salzmann erzählt in bilderreichen Sätzen voll Atmosphäre und Dichte.
Wanda Grünwald
Sasha Marianna Salzmann: Im Menschen muss alles herrlich sein. 384 Seiten. Suhrkamp, Berlin 2021 EUR 24,70