Nach den Sternen greifen

Auch in ihrem neuen Roman behandelt Elena Messner ein wichtiges gesellschaftliches Thema. Es geht um moralische Grundeinstellungen überforderter Beschäftigter in einem öffentlichen Spital. Eine alte Frau wird bewusstlos, am Boden liegend, von einer im Spital arbeitenden Putzarbeiterin gefunden. Durch den ausgelösten Alarm kann die Frau reanimiert werden. Die verantwortungsbewusste Ärztin Judit möchte den Fall nicht auf sich beruhen lassen und beantragt zwecks Klärung der genauen Umstände die Einberufung eines Ethikkonzils. Aus ihrer Perspektive geht es um mehr. Ein Faktor sei die Überbelastung des Personals, dann die Spaltung in Fixbeschäftigte und Leasingpersonal, die Qualifizierung der Patientinnen als Verwertungsmasse je nach Höhe des Versicherungsschutzes und die aufwendige Dokumentation der Patientenakten, die den Anteil der Pflege an der auszuübenden Tätigkeit auf ein Minimum reduziert. Anhand der Abhaltung des Ethikkonzils, dessen Beantragung von anderen Mitarbeitenden stark kritisiert wird, wird nachvollziehbar, wie der Vorfall hätte verhindert werden können. Reißverschlussartig wird neben der Handlung jeden Tag dokumentiert, wie mit medizinischen Fachbegriffen der Krankheitsverlauf des Opfers und die ihm verabreichte Medikation festgehalten wird. Letzteres mag nicht medizinisch geschulte Leser:innen überfordern, aber als Metapher für eine wenig menschliche Spitalswelt ist es eine sehr gelungene Übertragung. Bereits der Einstieg in den Roman mit der Produktion von pharmazeutischen Produkten in China und deren lange Reise zu ihrem Verwendungsort ins betreffende Spital ist großartig rekonstruiert!
ML
Elena Messner: Schmerzambulanz. 222 Seiten, Edition Atelier, Wien 2023 EUR 24,00