Politisierte „Opferwürde“

Herausgeber Arne Hoffmann will mit diesem Buch von 450 Seiten, in dem er knapp die Hälfte selbst verfasst hat, einen Dialog über kontroversielle Themen zur Gleichberechtigung ermöglichen und plädiert für integralen Antisexismus. Dem ist vorausgesetzt, dass es erstens neben Feminismus gerechterweise einen Maskulismus für Männer brauche und dass zweitens Männer genauso häufig Opfer von (häuslicher) Gewalt wie Frauen würden, die Gewalt von Frauen ausgehe, und dies beides aber nicht anerkannt werde. Diese Ausgangsposition ist von mehreren Entkontextualisiertheiten geprägt: Methodisch werden theoretische Versatzstücke in Ergebnisse eingepasst, aus persönlichen Erlebnissen werden gesellschaftspolitische Schlussfolgerungen abgeleitet, komplexe Ursachen für heutige Sexismen und deren Machtverhältnisse bleiben ebenso unbeachtet wie kritische Männlichkeitsforschung und die Gerechtigkeits­ansprüche verschiedener Feminismen. Das da und dort existierende Wissen um diese Diversität wird Polemiken gegen die „vorherrschenden einseitigen ‚Feminismen’ (Radikal-/Gender-/Staatsfeminismus)“ geopfert, um letztendlich wiederholt zu argumentieren, dass Männer (die eigentlichen) Opfer seien (I. Jüdt wagt dabei gar die Analogie zum Antisemitismus). Mithu Sanyal versucht sich mit ihrem Beitrag als Brückenbauerin, widerlegt und hinterfragt solcherlei Behauptungen und wünscht sich den angestrebten Dialog: Der würde jedoch nicht nur die Aufnahme ihres Widerspruchs benötigen, sondern die Auseinandersetzung damit. Hoffmann sieht sich als Linker, kriegt jedoch Applaus von rechts und das ist inhaltlich berechtigt.

Meike Lauggas

Gleichberechtigung beginnt zu zweit. Können Feminismus und Maskulismus für eine ganzheitliche Geschlechterpolitik zusammenwirken? Hg. von Arne Hoffmann. 453 Seiten, Tectum Verlag, Baden-Baden 2019, EUR 28,80