Rechnungen und Kassazetteln

Beziehungen konstituieren sich, funktionieren oder zwei Menschen entfernen sich wieder voneinander. Eine dritte Person ist nur ein Vorwand. Der neue Roman von Laura Freudentaler spielt in der Gegenwart, er wird auktorial aus der Perspektive der ca. 50 Jahre alten Pianistin Anna erzählt, die sich innerhalb ihrer heteronormativen Beziehung nicht mehr auskennt, ob sie tatsächlich noch die Gefühle für eine tragbare Beziehung zu ihrem Partner hat, mit dem sie seit 20 Jahren zusammenlebt.
Anna fühlt sich unwohl, sie kennt sich nicht mehr aus, ob Thomas noch mit ihr lebt, denn er ist im Wesentlichen psychisch abwesend, neben ihr ohne sie. Anna bildet sich ein, dass er eine junge Geliebte hat, diese wird für sie mit fortlaufender Distanz zu Thomas immer realistischer und nistet sich auch in der gemeinsamen Wohnung ein. Anna ist einsam! Ihr Klavier dient als Metapher, es bleibt während ihres Sabbaticals bis auf die Pedale unberührt. Das zu schreiben beabsichtigte Lehrwerk ist eine Schutzbehauptung. Sie streunt stattdessen unentwegt durch die Stadt, um sich zu spüren, sie entdeckt allerlei, aber keine Anhaltspunkte für die Neubegründung ihrer persönlichen und beruflichen Bindung. Sie lebt allein ohne Thomas, es bleibt offen, ob das Haus am See eine Rettung für ihre Beziehung darstellen könnte. Gelungen im Sinne einer Beziehungsgeschichte, die Fragezeichen legitimiert und verdeutlicht, dass Antworten oftmals nicht angenehm sind.
ML
Laura Freudentaler: Geistergeschichte. 168 Seiten, Droschl, Graz/Wien 2019 EUR 20,00