Safe, sane & consensual
Sadomasochismus hat spätestens mit der Buch- und Filmreihe 50 Shades of Grey seinen Weg in die Populärkultur und somit auch in den Mainstream gefunden. Ulrike Heider geht der Frage nach, welche Ursprünge die Faszination an der ‚grausamen Lust’ hat und wo deren Wurzeln liegen. Am Beginn ihrer wirklich ausgezeichnet recherchierten kulturwissenschaftlichen und -geschichtlichen Analyse stehen die Werke von Marquis de Sade aus dem 18. Jahrhundert, dem Namensgeber des Sadismus, dessen Einfluss, bis hinein ins 21. Jahrhundert über viele Epochen, immer wieder spürbar war und ist. Heider beleuchtet Thesen und Texte zu der Thematik von unter anderem Georges Bataille, Pauline Réage, Michael Focault, Albert Camus und Paul B. Preciado. Kritisch und dennoch sachlich nähert sie sich der Beantwortung ihrer Fragen, ohne jedoch Menschen, die SM-Praktiken sicher, verantwortungsbewusst und einvernehmlich durchführen, zu pathologisieren oder zu werten. Sie bezieht in ihre Auseinandersetzung die literarisch und philosophische Komponente mit ein, sowie die ‚praktischen’ Strömungen/Ereignisse wie bspw. die Anfänge der ‚schwulen Lederszene’, Queeren Sadomasochismus und das Ankommen im heteronormativen Mainstream. Sie spricht aber auch rassistische und faschistische Tendenzen an und zeigt Motive, die sich pauschal immer wieder finden lassen, wie strenge Hierarchien, die Verknüpfung mit Religion/Blasphemie/Spiritualität, Elitarismus und Menschen-/Sexualfeindlichkeit. Ulrike Heider sieht im Sadomasochismus nur eine vermeintliche sexuelle Revolution, spielt er doch sehr mit Konservatismus und ‚Tabuthemen’ – die Ankunft in der Populärkultur sieht sie als ‚Pseudorebellion’, da sie ‚befreite Sexualität’ als frei von Konkurrenz, Macht, Leistungsdenken, Kapitalismus und Gewalt versteht. Eine empfehlenswerte und gut aufgearbeitete Analyse!
Andrea Knabl
Ulrike Heider: Die grausame Lust. Sadomasochismus als Ideologie. 242 Seiten, Schmetterling, Stuttgart 2023 EUR 20,40